Was uns gerade noch einfällt zu dem gestrigen Gespräch mit dem Ladenbesitzer: interessant zu erfahren war ebenfalls, dass es im Hunzatal eine Kriminalitätsrate von nahezu 0% gibt und da sich die Einheimischen viel von Aprikosen, Gemüse und dem mineralreichen, fast milchig weißen Wasser ernähren, liegt die Lebenserwartung bei nahezu 100 Jahren. Das aber nur am Rande.

Unser Wecker klingelte früh morgens um 04 Uhr – Ahmad hatte tags zuvor unseren Besuch des Eagle’s Nest – einem Aussichtspunkt über das gesamte Tal – auf den heutigen Sonnenaufgang verlegt. So stiegen wir alle schlaftrunken und gerade so noch pünktlich erwacht in unser weißes Gefährt. Wir verbrachten 2 Stunden am Aussichtspunkt und bestaunten das Schauspiel, welches sich uns bot, bevor wir etwa 06:30 zurück zum Hotel fuhren.

Da Melanie leichte Magenschmerzen hatte, ging Andreas alleine zum Frühstück, bevor auch er sich noch einmal kurz ins Bett legte. Und natürlich verschliefen wir alle ein klein wenig unseren eigentlich geplanten Abfahrtstermin. So machten wir uns etwa eine halbe Stunde später, als geplant auf den Weg zu unserem nächsten Tagesziel, dem Attabad-See.

Auf dem Weg zu besagtem See kamen wir wieder durch unzählige Tunnel, welche durch die Chinesen freundlicherweise hier errichtet worden waren. Ein Teil dieser Tunnel war noch recht frisch, teilweise 2010-2015 errichtet, nachdem der Attabad-See im Jahr 2010 künstlich durch einen Bergsturz entstanden war. Bereits 2008 waren Risse im Berg entstanden, welche dann im Januar 2010 zu dem katastrophalen Bersturz führten, bei dem mehrere Menschen starben, mehrere Dörfer durch die Aufstauung des Hunza-Fluss überflutet wurden und der Karakoram Highway ebenfalls auf einer Länge von 25km überflutet wurde.

Doch Menschen sind nun einmal Menschen und so entstand im Laufe der Zeit an und um besagten See ein Erholungsgebiet mit Hotelanlagen und viel Wassersportmöglichkeiten, wie Jetski und Bootstouren. Und so kam es dann auch, dass auch wir auf einem etwas historisch anmutenden Fischerboot landeten, welches Andreas zeitweise über den See steuern durfte.

Nachdem wir wieder vor Anker gegangen waren, trafen wir noch auf eine Gruppe ungarischer Fotografen, bevor wir unsere Reise fortsetzten. Die Ungarn ließen trotz eines absoluten Verbots ihre Drohne starten und so fand Andreas schnell ein Gesprächsthema. Anscheinend hatte der Tour Operator über mehrere Monate hinweg eine Sondergenehmigung für den Flug erwirkt. Auch interessant zu erfahren war, dass nicht etwa Sicherheitsbedenken gegen den Start sprachen, sondern einfach die Tatsache, dass bereits viele Drohnenpiloten ihr teures Spielzeug versehentlich im See versenkt hatten.

Auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel hielten wir an einem Strtaßencafé, damit Melanie ihre Kaffeereserven auffrischen konnte und Mudassir – trotz Ramadan – wieder „heimlich“ rauchen konnte. Der Coffeeshop an der berühmten Hussaini-Hängebrücke entpuppt sich als Minimuseum mit beschrifteten Steinen und Geldscheinen mit Grußbotschaften, welche Menschen aus der ganzen Welt hier zur Erinnerung hinterlassen hatten. Der Betreiber hatte sogar eine offizielle Urkunde der pakistanischen Regierung erhalten, welche ihn als „Bewahrer der Erinnerungen“ auszeichnete und die er uns stolz präsentierte.

Doch wir hatten noch einen langen Weg vor uns und durch den morgendlichen Zeitverzug leider nicht die Zeit sofort zur Hängebrücke zu gehen. Statt dessen besuchten wir eine kleinere, welche direkt am Wegesrand lag – auch diese kleine Hängebrücke war genug „Aufregung“ für Melanie. Nach der Überquerung der Brücke und ein paar Fotos setzten wir unseren Weg fort, bis wir schließlich den Ort Sost erreichten.

In diesem Ort stiegen wir von unserem Gefährt in einen 4×4-Jeep um, der uns die restlichen, knapp 100km (2 Stunden) über die verschneiten Passstraßen zur chinesischen Grenze bringen sollte. Der Fahrer des 4×4 war ein ca. 25 Jahre alter cooler Typ, mit viel Flausen und lockeren Sprüchen im Kopf, namens Hanif. Irgendwie stimmte direkt von Anfang an die Chemie zwischen uns.

Gemeinsam fuhren wir nun zu 5 weiter und recht bald erreichten wir die Grenze zum Khunjerab Naturpark. Während Hanif Dokumente vorzeigen musste, wurden wir aus dem Auto geholt, da unweit von uns bereits vor dem Naturpark Steinböcke zu sehen waren. Dies ließ unsere Hoffnung wachsen am heutigen Tag doch noch einige Tiere zu sehen. Nachdem wir uns satt gesehen hatten, ging unsere Fahrt weiter. Bereits 10 Minuten später, waren wir am nächsten Postenhäuschen und wieder wurden wir aus dem Auto geholt. Ein Späher zeigte uns durch sein riesiges Teleskop eine Herde von ca. 30 Steinböcke, gefühlt mehrere Kilometer entfernt, mitten im Steilhang. Nachdem die Umstehenden Andreas Kamera erblickt hatten, entwickelte sich ein kurzes Gespräch. Einer der Männer organisierte Touren um Schneeleoparden zu finden und zu fotografieren, welche hier auch heimisch waren. Bevor es weiterging, wurde ein wenig erzählt und Bilder von Schneeleoparden und Großkatzen aus Afrika wurden miteinander getauscht und bewundert.

Die Passstraße schlängelte sich immer weiter in die Höhe, das Grau der Berge wich immer mehr einem Weiß des Schnees, der noch immer überall lag. Stellenweise musste Hanif einige vergangene Steinschläge umfahren und so erreichten wir nach knapp 100km und ca. 2 Stunden die chinesische Grenze.

Auf knapp 4700m angekommen war insbesondere Andreas über die doch angenehme Temperatur überrascht (wir hatten aber auch einmal mehr Glück, denn die Sonne strahlte uns allen entgegen) und bestaunte – sehr zur Verwunderung einiger anwesender Einheimischer – die ganze Szenerie nur im T-Shirt bekleidet. Leider war der hier errichtete, welthöchste, Geldautomat geschlossen und des Weiteren durften wir uns dem Grenztor nur bis auf etwa 900m nähern. Begründet wurde das Ganze mit der Angst der Chinesen vor Corona – die Grenze war geschlossen.

Während Andreas noch mit seiner Kamera beschäftigt war, wurde Melanie bereits von mehreren Männern umringt, welche ganz wild auf Fotos mit ihr waren. Während Andreas sich dieser Szene näherte wurden dort die Diskussionen immer hitziger. Die Gruppe Männer war sich zu 100% sicher, dass Andreas ein weltberühmter Schauspieler war. Melanie versuchte die Gruppe vom Gegenteil zu überzeugen, doch ihr wurde kein Glaube geschenkt und so war die nächste Legende geboren und es wurden noch hunderte Gruppen- und Einzelfotos geschossen.

Nachdem die Männer in ihren 2 Fahrzeugen die Grenze verlassen hatten, stieß nun auch ein pakistanischer Grenzposten zu uns. Er hatte dass Ganze aus der Ferne beobachtet und wollte nun auch noch ein paar Fotos mit der „Legende“. Dieser Bitte kamen wir sehr gerne nach – im Gegenzug bekamen wir von ihm eine Sondergenehmigung und er eskortierte uns bis auf ca. 500 Meter an das chinesische Grenztor heran. Schon bald mussten wir uns jedoch an den Rückweg machen und der Soldat bat uns, mit ins Tal genommen zu werden.

Auf dem Rückweg erfuhren wir noch, dass die Grenzer sich hier nur im Sommer aufhielten. Den Winter auf 4700 Meter Höhe bezeichnete er als „Todeszone“ mit eisigem Wind und Temperaturen um die minus 45 Grad Celsius. Auch interessant war eine kurze Anekdote, wonach zum Bau der Grenzanlagen Soldaten und Material per Helikopter eingeflogen worden waren. Nachdem wir wieder am Einstiegspunkt in den 4×4 Jeep angekommen waren (ein kleines Straßencafé), lernten wir noch einen Teil von Hanifs Familie kennen. Insbesondere seine zuckersüßen Nichten, welche im Alter von 4 Jahren bereits 5 Sprachen beherrschten (Urdu, Englisch, Chinesisch und 2 lokale Dialekte).

Auf dem Rückweg nach Karimabad sahen wir noch die Passu Cones und machten – nachdem Melanie darauf bestanden hatte – doch noch einmal Halt an der Hussaini Hängebrücke. Die Brücke war ingesamt 193m lang, wir gingen etwa bis zur Hälfte und schossen noch einige Fotos.

Zurück in Karimabad hatten die Einheimischen überall am Straßenrand hunderte, oder tausende Lichter entzündet. Auf Nachfrage erfuhren wir, dass es sich dabei um einen lokalen Brauch handelte und keiner mehr genau wusste, welchem Zweck dieses ganze Schauspiel eigentlich dienen sollte. Zum Abendessen entführte uns Ahmad in eine kleine Holzhütte einer super netten lokalen Köchin, welche alle Speisen vor unseren Augen frisch, organisch und ohne Zusätze in ihrer kleinen Küche zubereitete (absolute Empfehlung). Während wir das Essen genoßen, plauderten wir ein wenig mit ihr und am Ende lud sie uns sogar noch auf grünen Tee ein.