Ok. Wir sind ehrlich. Der letzte Satz des Blogeintrags von gestern mit „dem zeitig zu Bett gehen“ war eine kleine Flunkerei. Aufgrund der Tatsache, dass wir doch erst wieder gegen 01 Uhr zu Bett gegangen waren, musste Mel etwas Animationsarbeit leisten, um Andreas zum Frühstück aus der Plastikbox zu animieren. Aus der Plastikbox kamen Gurke, Tomate, Fladenbrot, Orange, Frischkäse und Marmelade – ein nun schon bekanntes, immer gleiches Frühstücks-Ensemble, aber dennoch genießbar.
Unser Hauptziel für den heutigen Tag war die Stadt Varzaneh in der gleichnamigen Wüste. Auf dem Weg dorthin hatten wir uns noch für einen kleinen Abstecher in das kleine 300-Seelen-Dorf Abyaneh entschieden. Nach etwa einer Stunde hatten wir das kleine Dorf aus hauptsächlich roten Lehmhütten erreicht und parkten unser treues Gefährt – nach bezahlen einer Einfahrtgenehmigung – am Rande des Dorfes. Es war brütend heiß, während wir durch die engen Gassen des Dorfes schlenderten, welches seit 2007 auf der Warteliste für den Status des UNESCO-Weltkulturerbe steht.
Wir konnten etliche heilige Stätten, Tempel, kleine Moscheen und schicke Häuser bewundern, bevor wir zum Einen wieder als Fotomotive herhalten mussten und zum Anderen uns – zum ersten Mal in diesem Urlaub und zum ersten Mal seit einiger Urlaube wie dumme Touristen verhielten und uns gehörig das Geld aus der Tasche zogen ließen. Zur typischen weiblichen Kleidung in Abyaneh gehört ein langer weißer Schal mit einem farbigen Blumenmuster, der die Schultern und den oberen Teil des Rumpfes bedeckt. Wir beide fanden einen (nach späterer, genauerer Betrachtung handwerklich miserabel gefertigten) traditionellen Schal recht nett – eine clevere ältere Dame nutzte dies aus und so wechselte der Schal für 3 Millionen Rial (etwa 10 Euro) den Besitzer.
Nach einer kleinen Pause am Rande des Highway erreichten wir gegen 15:30 Uhr den Ort Varzaneh. Kaum angekommen begegneten wir unserem Gastgeber Reza. Ein Mann in den besten Jahren, der nicht nur einen Masterabschluss der Geographie besaß, sondern auch noch das erste Guesthouse in Varzaneh eröffnet hatte und einen Eco-Campingplatz, lange bevor Varzaneh (vor allem für iranische Touristen) populär wurde. Reza schwärmte von der Umgebung, der Wüste und der Natur und Schönheit unseres Planeten im Allgemeinen. Man konnte nicht umhin, ihm und seinen Äußerungen gespannt zu folgen und so verwunderte es uns nicht, dass er ebenfalls eine NGO gegründet hatte, die sich der Rettung der Natur verschrieben hatte. Wenn ihr einmal in die Nähe kommt, besucht unbedingt Reza und macht eine Tour mit ihm:
Relativ kurz nach unserer Ankunft bei Reza lernten wir eine Familie aus Steinfurt kennen. Die Eltern, Kinderarzt und Lehrerin (lustigerweise hatten beide in Leipzig studiert) und 5(!) Kinder (12, 11, 9, 8 und 1 Jahr(e) alt) waren bereits seit etwas mehr als 2 Monaten mit ihrem alten Mercedes Feuerwehrtruck, zum Camper umgebaut, auf Reisen und hatten noch mehr als 2 Monate vor sich. Sie waren in Deutschland gestartet und über den Balkan und die Türkei in den Iran eingereist. Ihre Geschichten und Probleme – insbesondere, was die Organisation von Diesel im Iran betraf, waren sehr spannend zu hören. Die Kinder waren wohl auch froh mal wieder Deutsch reden zu können und so wurden Mel und Andi im Verlauf des Tags und Abend über alles Mögliche von den kleinen Waldorfschülern „ausgequetscht“.
Nach unserem kleinen Kennenlernen bei einem – wie immer sehr guten schwarzen Tee – startete unsere Wüstentour mit Reza und Bekannten 30min eher als geplant. Als erste Marschverpflegung gab es – äußerst clever und dies sollten wir später noch öfter erleben – Wasser in Plastikflaschen komplett zu Eis gefroren.
Unser erstes Ziel war die Salzwüste in der Nähe (etwa 40min Fahrt entfernt), nachdem die Steinfurter ihr riesiges „Schiff“ auf Reza’s Campingplatz abgestellt hatten und wir uns mit 13 Personen auf 3 Autos verteilt hatten. Die Salzwüste war auf eine seltsame Art und Weise atemberaubend schön – Andreas war eh sprachlos, da es für ihn das erste Mal war, dass er eine Wüste mit den eigenen Augen sah. Reza wusste uns viel über die Natur, Tiere und ökologische Gegebenheiten zu erzählen. Auch war es interessant im kleinen Salzsee den Finger in das Salzwasser in zu stecken und in die Nähe der Zunge zu führen – kaum berührt, verspürten wir ein Stechen auf der Zunge wie von Säure oder Nadelstichen, aufgrund des hohen Salzgehalts.
Nachdem wir uns, nach dem Abstecher im Salzsee, mit einer herrlich süßen Wassermelone gestärkt hatten, führte uns Reza in die eigentliche Wüste, um den Sonnenuntergang zu genießen. Auch hier merkte man ihm immer wieder die Begeisterung für die Natur an. Andreas Versuche eine Zeitrafferaufnahme des Sonnenuntergangs in der Wüste zu machen wurden leider 2mal von den Steinfurtern „sabotiert“ – das Schauspiel war dennoch atemberaubend. Reza hatte für die Kinder auch 2 „Surf-Bretter“ mitgebracht, um Sandboarding zu betreiben.
Den Abend ließen wir mit einem fantastischen Barbeque ausklingen. Es gab Tee, Salzlachs, Hühnchen, frisches Obst und Gemüse, alles frisch zubereitet und mitten in der Wüste gegrillt. Reza erklärte uns noch den wunderschön klaren Sternenhimmel, der von keinem Licht gestört wurde mit seinem Laserschwert … äh Laserpointer, der in Deutschland wohl als Waffe hätte angemeldet werden müssen. Während wir von Moskitos zerfressen wurden, war es dann leider auch schon bald an der Zeit uns von den Steinfurtern zu verabschieden, nachdem wir alle Habseligkeiten eingesammelt hatten.
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