Der Morgen des 19.04. startete interessant für uns. Das für 08 Uhr versprochene Frühstück erreichte uns nie, zum Glück hatten wir nette Zimmernachbarn. Eine Gruppe pakistanischer Grenzsoldaten hatte die Nacht im selben Hotel verbracht und während einer von Ihnen übersetzte, kümmerten sich alle rührend darum, dass wir doch noch unser Frühstück erhielten. In Ahmads Zimmer hatte unterdessen die Wasserversorgung ihren Geist aufgegeben und so fragte er, ob er bei uns duschen dürfe – natürlich stellte dies kein Problem dar. So starteten wir mit ca. 30 Minuten Verspätung in den Tag.
Auf dem Weg zum ersten Etappenziel, hielten wir noch kurz am Straßenrand. Auch Ahmads Schuhe waren nicht so ganz einsatzbereit. Nach einem etwa 10 minütigen Halt, hatte der Schuster am Straßenrand professionell die Schwachstellen ausgebessert.
Nachdem wir an der Raikot-Brücke angekommen waren, ging es recht flink auch schon direkt daran unser Gepäck umzuladen, uns von Mudassir zu verabschieden und das Gefährt für unsere nächste Etappe – einen etwas betagteren 4×4 Jeep – zu besteigen. Mit diesen Jeeps sollten wir von der Brücke aus, welche auf etwa 1400m Höhe gelegen ist, zum Dorf Tato fahren (auf etwa 2300m Höhe). Bevor wir starten konnten mussten wir jedoch noch unsere bewaffnete Eskorte abholen. Ein Polizist der SPU (Special Police Unit) sollte uns – bewaffnet mit einer Kalaschnikow – auf Schritt und Tritt begleiten. Auch dies war wieder eine Maßnahme der pakistanischen Regierung zum Schutz ausländischer Touristen, nachdem genau hier, wo wir uns jetzt befanden 2013 eine chinesisch-ukrainische Reisegruppe Ziel eines Anschlags einer religiös-fanatischen Splittergruppe geworden war.
Die Fahrt auf der doch sehr alpinen „Straße“ zum Dorf sollte etwa 90 Minuten dauern und war doch sehr holprig. Wir waren durch unsere Urlaube in Afrika schon viel gewohnt, aber hier wurden wir aufs Neue überrascht. Der Zustand des Wegs und die Höhe waren für uns eine besondere Erfahrung. Selbst Andreas, der keinerlei Probleme mit Höhen hat, hielt sich stellenweise fast verkrampft fest und schickte hier und da ein kleines Gebet in Richtung Himmel. Die gefährliche und schmale Schotterstraße von der Brücke zum Dorf ist nur für Einheimische zugänglich (und die Fahrer benötigen eine spezielle Genehmigung zum befahren), die den Transport von Besuchern übernehmen. Im Jahr 2013 erklärte übrigens die Weltgesundheitsorganisation diese Straße zur zweittödlichsten Straße der Welt.
Kaum im Dorf angekommen und aus dem Jeep gestiegen, kam es mal wieder zu einer Verwechslung. Die Film-„Legende“ Andreas wurde von einem Polizisten in Tarnuniform, der eine Gruppe französischer Touristen begleitete (die Franzosen waren mitsamt Ausrüstung zum Skifahren hier), „erkannt“. Zunächst war er felsenfest davon überzeugt, dass er Andreas bereits kannte und Andreas nicht zum ersten Mal hier war – die Frage nach unserer Nationalität verbesserte die Situation nicht. Später an diesem Tag – noch immer beim Aufstieg zur Märchenwiese – fragte er erneut nach. Diesmal unter Anderem nach dem Namen. Die Situation wurde immer verworrener und der Polizist bat Andreas darum, ihn nicht zu veralbern. Er kannte einen Deutschen, namens Andi, der in Islamabad für die deutsche Botschaft arbeitete, genau wie Andreas aussah und beide waren zusammen schon einmal „einen heben“ gewesen. Leider konnten wir die Situation nie abschließend klären und so gingen wir weiter in Richtung unseres Tagesziels.
Den Aufstieg zur Märchenwiese hatten wir gegen kurz vor 14 Uhr angetreten, nachdem wir im Dorf noch eine Stärkung zu uns genommen hatten. Die Frage, ob wir per Pferd nach oben gelangen wollten, lehnten wir dankend ab. Vor uns lag ein etwa 5km langer Fußmarsch mit einem Anstieg von etwa 1000 Höhenmetern. Die Landschaft war einmal mehr atemberaubend – es ging nach oben, nach unten, immer am Abgrund entlang, über kleine Gebirgsbäche (balancierend über Baumstämme) und durch kleine Wälder, welche aussahen, als ob wir uns in Deutschland befinden würden.
Gegen 16:45 Uhr erreichten wir glücklich und etwas erschöpft unser Ziel. Melanie hatte stellenweise nicht mehr an eine Ankunft geglaubt, ein wenig fehlte an diesem Tag die Kraft oder die Motivation für eine Wanderung. Direkt nach Ankunft bezogen wir unsere rustikale, aber gemütliche Holzhütte mit dicken, warmen Decken und einem kleinen gußeisernen Holzofen. Dieser Ofen sollte in den nächsten beiden Tagen (oder zumindest an den Abenden) noch unser bester Freund werden.
Den Ofen frisch angeheizt, wurde es langsam angenehm warm in unserer Hütte und wir verließen diese, abgesehen von ein paar Fotos, nur noch einmal für das reichhaltige Abendessen welches wir, frisch zubereitet, in der Holzhütte zu uns nahmen, die als Lager und Küche fungierte. Das Essen war köstlich und zum Abschluss gab es zuckersüßen Tee – sehr zur Freude von Andreas. Inzwischen hatte sehr starker Regen eingesetzt und so fielen wir schon gegen halb zehn in unsere Betten.
Tag 2: Der Killerberg zeigt sein wahres Gesicht und Montezumas Rache
Der nächste Morgen startete einfach wunderbar. Mel war gegen halb 6 Uhr schon munter und konnte den Sonnenaufgang über den Nanga Parbat genießen. Die Sonne lachte in unsere Gesichter und so hatten wir absolut freie Sicht auf den Killerberg Nanga Parbat, während wir unser Frühstück zu uns nahmen. Es gab wieder pakistanisches Omelett, frisches Chapati, Tee, wunderbaren Honig und Marmelade.
Gegen 10:30 Uhr – eigentlich wieder ein wenig verspätet – starteten wir unsere heutige Wanderung zum Beyal Basecamp. Melanies Motivation sank rapide, nachdem erste Wolken den Blick auf den Berg versperrten und ihr aufgrund der Höhe etwas „drehend“ war. Die Landschaft während der Wanderung war wunderschön. Unterwegs trafen wir eine einheimische Gruppe von Reitern, welche auf dem Rückweg vom Nanga Parbat Basecamp ihre Pferde versorgten, wir durchschritten ein verlassenes Dorf und zwischenzeitlich begann es zu schneien.
Mit vielen Stopps und Gemecker kamen wir nach etwa 1,5h im Camp an – auch Andreas spezieller Freund aus Islamabad war wieder zugegen. Nach einem Tee und Kaffee wurde noch eine Instant Nudelsuppe für uns zubereitet, welcher Andreas noch mit einer, nicht scharfen, dafür aber stark säuerlich schmeckenden Chilisoße (nach der Saison im vergangenen Jahr, waren wir hier oben mit die ersten Gäste) etwas Raffinesse verleihen wollte – ein Fehler, wie sich noch herausstellen sollte.
Nachdem wir unseren Mittagssnack in der gemütlichen Küche beendet hatten, trafen wir noch auf eine deutsche Reisegruppe aus Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Nach etwas Small Talk und dem Austausch von Reiseerfahrungen sollte es auch schon wieder zurück zur Märchenwiese gehen.
Doch plötzlich: Ein seltsames, dumpfes und grummelndes Geräusch ließ uns alle in Richtung des Killerbergs blicken – eine große Schneelawine rollte die Diamirflanke hinab und bahnte sich unaufhaltsam ihren Weg in Richtung Tal. Obwohl wir noch um die 15-20km vom eigentlichen Berg entfernt waren, bot sich uns ein unglaubliches und beängstigendes Bild – wir waren so beeindruckt, dass der Griff zur Kamera verspätet erfolgte und wir alle hofften, dass momentan niemand am Berg war, um den Aufstieg zu wagen.
Wieder in unserer Unterkunft angekommen, entschieden wir uns für einen kurzen Schönheitsschlaf – inzwischen war der Himmel auch komplett zugezogen. Wir genossen die Annehmlichkeiten unserer Hütte, die durch den Ofen gemütlich gewärmt wurde.
Keine zwei Stunden später fühlte sich Andreas sehr schlecht. Nachdem er das Abendessen verweigert hatte, traf die ganze Mannschaft (Ahmad, Polizist und ein weiterer Guide) in unserer Hütte ein. Jeder machte sich Gedanken und hatte eine eigene Erklärung für Andreas plötzlichen Zustand. Auch Schmerztabletten wurden für ihn organisiert. Damit wenigstens Melanie etwas isst, wurde ihr das Essen direkt in der Hütte serviert. Durch den Geruch geweckt, verschwand Andreas just in diesem Moment in das Bad, wo er auch über längere Zeit verharrte. Während Mel das Abendbrot genoss und aus dem Bad unangenehme Geräusche drangen, organisierte Ahmad Holz aus den, noch im Bau befindlichen, Nachbarhütten und heizte erneut den Ofen an.
Die Außentemperatur war inzwischen stark gesunken und befand sich gefühlt irgendwo um die null Grad Celsius. Da das Bad in einem abgetrennten Bereich der Hütte war und nicht beheizt war, waren die Temperaturen dort ähnlich zum Außenbereich.
Irgendwann kehrte etwas Ruhe ein. Da Mel immer und überall schlafen kann, schlief sie schnell ein – während Andreas die Nacht in einem nicht beheizten Bad verbrachte und Körperflüssigkeiten aus allen Körperöffnungen überall im Raum verteilte. Irgendwann funktionierte er nur noch und schaffte es trotz nicht angeschlossener Wasserversorgung am Waschbecken, der Toilettenspülung und Dusche sich selbst und das Bad wieder zu reinigen und noch einmal ein Feuer im Ofen zu entzünden – weitere Details möchten wir Euch hier jedoch ersparen.
Tag 3: Abstieg am Limit
Nach der doch recht „abenteuerlichen“ Nacht, in der auch noch starker Schneefall eingesetzt hatte, wurden wir von Ahmad zeitig geweckt. Wir mussten am heutigen Tage und zwar schon recht bald den Abstieg angehen – anderenfalls hätten wir noch mindestens einen Tag auf Fairy Meadows bleiben müssen und unser gesamter weiterer Tourplan wäre nichtig gewesen.
Inzwischen lag draußen Schnee und es schneite noch immer weiter. Andreas fühlte sich nicht wesentlich besser, wusste aber, dass er für den Abstieg die Zähne zusammen beißen musste. Erneut lehnte er dankend die Nachfrage ab, ob er mit einem Pferd den Abstieg wagen wolle. Bevor wir gegen 08:15 Uhr starteten – immerhin schon eine Stunde später, als geplant – wurden uns noch selbstgebaute Wanderstöcke gereicht, die Ahmad und die Jungs spontan gebaut hatten, damit wir beim nun doch etwas gefährlicheren Abstieg uns etwas Halt geben konnten.
So bissen wir die Zähne zusammen und starteten. Die Wege waren schneebedeckt, schlammig und stellenweise sehr rutschig. Insbesondere beim überqueren der kleineren Bäche über die uns schon bekannten Baumstämme waren die Wanderstöcke eine gute Hilfe. Gemächlich aber stetig schritten wir in Richtung Dorf voran, Andreas verneinte immer wieder die Nachfragen nach einer Pause und als wir tiefer kamen, wechselte der Schneefall in leichten Sprühregen. Vollkommen fertig, komplett durchnässt von Schweiß und Regen und frierend erreichten wir tatsächlich nach 1 Stunde und 10 Minuten wieder das Dorf.
Für das Durchhaltevermögen gab es von Allen ein Lob, zumal wir 2 Tage zuvor für den Aufstieg etwas mehr als 3 Stunden benötigt hatten. Kurz vor den Jeeps (etwa 200m) wurde es noch einmal kurz brenzlig, als sich der Weg unter Melanies Füßen lockerte und Steine und Geröll den Abhang hinunter rutschten, Melanie jedoch glücklicherweise katzengleich Halt fand und uns erhalten blieb. Die Jeepfahrt zurück zur Brücke war uns schon bekannt, jedoch froren wir heute fürchterlich, stießen uns permanent am Überrollkäfig aus Metall die Köpfe und waren Zeuge eines kleinen Spektakels, welches uns kurz erahnen ließ, warum der Weg auf dem wir uns befanden die zweittödlichste Straße der Welt ist.
Zurück an der Raikot-Brücke begrüßten wir Mudassir herzlich mit einer Umarmung. Nachdem er erfahren hatte, wie es um Andreas Gesundheit bestellt war, versprach Mudassir Andreas in seine Gebete einzuschließen – was, ohne zuviel zu verraten, auch helfen sollte.
Nachdem wir unsere Polizeieskorte – übrigens ebenfalls ein super symphatischer Mensch – abgesetzt hatten, starteten wir zu unserem nächsten Ziel. Dieses erreichten wir nach etwa 5 Stunden Fahrt. Wir waren nun in Skardu. Zum Abendessen bekam Andreas nur bestimmte, leichte Speisen, während Mel in vollen Zügen genießen konnte. Andreas ging zur Erholung auch zeitig ins Bett, froh darüber wieder im Warmen zu sein und die Vorzüge eines richtigen Betts genießen zu dürfen.
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